Historisches

Siedlungsgebiet


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Für die Entwicklung unserer Landschaft  ist das geologische Erdzeitalter des Tertiärs, die Erdneuzeit vor 65 bis 2,6 Millionen Jahren, verantwortlich. In dieser Zeit bildete sich durch gewaltige Bewegungen im Erdinneren der Oberrheingraben. In der Folge waren es vor allem die großen Klimaschwankungen, die abwechselnd für Warm- und Eiszeiten sorgten und das heutige Landschaftsbild prägten. Die gewaltigen Kies- und Sandablagerungen in der Oberrheinebene, mit einer Größe von bis zu 2.000 Metern in unserem Gebiet, stammen aus dieser Zeitphase. Die letzte Eiszeit war die Würm-Kaltzeit, die vor 115.000 Jahren begann und vor 10.000 Jahren vor heute endete. Die Auswirkungen sind heute noch in der näheren Umgebung zu erkennen. So bildete sich in dieser Zeit das gewaltige Flusssystem des Rheins mit seinen Auen und Altrheinschlingen. Den Übergang zur Niederterrasse bildet das am südlichen und nördlichen Gemarkungsrand noch deutlich zu erkennende Hochgestade. Die Flächen der Niederterrasse sind bedeckt mit Sand, der in den Kaltzeiten von der Rheinniederung auf das umliegende Land geblasen wurde und der sich zwischen Sandhausen und Schwetzingen zu imposanten Binnen-Sanddünen mit einer Höhe von bis zu 21 Metern aufschichtete.

Bemerkenswert ist auch das stark ausgeprägte Flusssystem des Kraichbachs, das die Niederterrasse zwischen Reilingen und Hockenheim von Osten nach Westen durchquert. Hierbei handelt es sich um alte „Abflüsse“ der Kinzig-Murg-Rinne, dem ehemaligen „Ostrhein“.

Ur- und Frühgeschichte

Die frühesten Spuren des Menschen in der näheren Umgebung reichen bis in das Paläolithikum, der Altsteinzeit von 2,4 Millionen Jahren bis 8.000 Jahre vor Christi, zurück. Spektakulär war hierbei der Fund eines menschlichen Schädelfragments, das 1978 in der Kiesgrube zwischen Neulußheim und Reilingen in einer Tiefe von etwa 25 Metern unter dem Grundwasserspiegel gefunden wurde. Anhand der Tiefe und weiterer Knochenfunde von warmzeitlichen Fossilien, wie Flusspferd, Wasserbüffel oder Waldelefant ,kann das Alter dieses Schädels auf maximal 125.000 bis 130.000 Jahre datiert werden. Es handelt sich bei dem Fund um einen Vorfahren des modernen Menschen, einen Homo erectus, der auf Grund des Fundortes den Beinamen reilingensis erhielt.

Die ältesten Funde  des modernen Menschen Homo sapiens sapiens auf Lußheimer Gemarkung, ein Steinbeil aus Serpentinit und eine Geweihhacke, weisen auf das 4./3. Jahrtausend vor Christus, der Jungsteinzeit, hin. In dieser Epoche entstanden die ersten großen bedeutenden Siedlungsstätten, wie beispielsweise auf dem Michaelsberg bei Untergrombach. Es wurde Ackerbau und Viehzucht betrieben und Haushaltswaren aus Keramik hergestellt.

Die Anhäufung weiterer Streufunde auf Lußheimer Gemarkung lässt durch die Lage der einzelnen Fundorte ein Muster rekonstruieren, nachdem Siedlungsansätze, vor allem entlang des deutlich ausgeprägten Hoch­gestades, festzumachen sind. Auch können anhand der geborgenen und leider zum größten Teil verschollenen Funde nahezu alle wichtigen Epochen der vorchristlichen Jahrhunderte von der Jungsteinzeit (Bandkeramik, Rössner-Kultur, Michelsberger Kultur) über die Bronzezeit (Hügelgräber und Urnenfelder Kultur) bis hin zur Eisenzeit (Hallstatt-Zeit, Latène-Kultur) mit Ein­zelfunden belegt werden - Spuren kontinuierlicher Siedlungstätigkeit sind nicht vorhanden.

Dies änderte sich mit dem Auftreten der Neckar­sueben, einem elbgermanischen Stamm, der ab ca. 70 v. Chr. bis ins 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. auf dem Neckarschwemmkegel siedelte. Der Fund neckarsuebischer Siedlungsreste im Baustellenbereich der neuen B 39/ L 545 vom Frühjahr 1987 dokumentiert, dass auch im Umfeld des Neckarschwemmkegels, dem klassischen Siedlungsgebiet der Neckarsueben, vereinzelte Gruppen dieser Bevölkerungsschicht lebten.

Römerzeit

Mit Caesars Feldzügen in Gallien (56 – 52 v. Chr.) wird der Rhein zur Grenze des sich ausdehnenden römischen Reichs. Als Ausgangspunkt für die rechtsrheinischen Eroberungen errichteten römische Soldaten um 10 v.Chr. am linken Rheinufer ein Lager für eine 500 Mann starke Infanteriegruppe, das den Impuls zur nachfolgenden Gründung der Stadt Speyer gab (Quelle: Historisches Museum der Pfalz).
Eine Reihe von kleineren Funden im Nord­ostteil der Lußheimer Gemarkung belegt die Phase der römischen Kolonisation auf der rechten Rheinseite. Zur Sicherung der neuen Reichsgrenzen bauten die Römer ein dichtes Netz mit befestigten Straßen auf. Eine der wichtigsten Verbindungen war die Route Straßburg-Graben-Heidelberg/Neuenheim, die östlich von Neulußheim im Bereich des heutigen Trimm-dich-Pfades den Hubwald querte. In diesem Bereich, wo die römische Militärstraße den Kriegbach querte, wurde im Jahre 1956 ein römischer Friedhof entdeckt. An Hand dieses so genannten Brandgräberfeldes kann eine nahezu 170 Jahre andauernde Präsenz römischer Bevölkerung nachgewiesen werden. Insgesamt wurden für den Zeitraum bis 200/230 n. Chr. 146 Gräber erfasst, geborgen und ausgewer­tet. Eine Hochrechnung für die zum Gräberfeld gehörige Siedlung geht von mindestens 220 Grä­bern aus und bestimmt damit die Größe der Sied­lung als ansehnlichen Gutshof (villa rustica).

Des weiteren wurde im Jahr 1990 ein römisches Marsch- oder Übungslager in Höhe des Lußhofes lokalisiert, ein Beleg für die Anwesenheit römischer Truppen an der im frühen 1. Jahrhundert hier verlaufenden Reichsgrenze nach Osten.

Alemannen und Franken

Um 260 n. Chr. musste das durch schwere Krisen wie Bürgerkrieg und äußere Invasoren stark geschwächte römische Kaiserreich den militärischen Schutz der rechtsrheinischen Gebiete und damit auch den Limes aufgeben. In der Folge konnten sich germanische Gruppen wie die Alemannen und später die Franken hier neu ansiedeln und sich mit den Resten der romanisierten Volksgruppen vermischen. Die Alemannischen Siedlungen entstanden oft in der Nähe römischer Ruinen, wie verlassenen Kastellen und Landgütern, jedoch nie direkt in den verlassenen römischen Gebäuden.

Durch die Wanderung ganzer Völker gelangten im 4. und 5. Jahrhundert auch fremdländische Kunstgegenstände in unsere Gegend, wie der Fund des Prunkschwertes von Altlußheim belegt. Das Grab, das die sterblichen Überreste eines Mannes und einer Frau enthielt, wurde bei Arbeiten hinter der Gastwirtschaft „Zur Rheinlust“ am 12. Dezember 1932 gefunden und war mit einer Reihe von Beigaben ausgestattet. Darunter fand sich ein reich verziertes, zweischneidiges Schwert in einer hölzernen, mit Goldauflage verzierten Scheide. Die Parierstange der Waffe ist mit Reihen herzförmiger, mit Almandin (roter Halbedelstein) ausgelegter Ornamente in Zellenschmelztechnik (cloisonné) und Gold verziert. Form und Herstellungsart verweisen das Fundstück in eine Werkstatt des persisch-kasachischen Kulturkreises.

Franziska

Die Franziska, auch Franciska, ist eine Sonderform der Wurfaxt, die vor allem im merowingerzeitlichen Frankenreich verwendet wurde. Gegen Ende des 6. Jahrhundert kam sie außer Gebrauch.

Die Franziska wurde aus einer Entfernung von etwa 10 bis 12 Metern gegen die feindlichen Reihen geschleudert. Versuche zeigen, dass sie dabei eine beträchtliche Durchschlagskraft erzielte. Der Einsatz erforderte vom Schützen einige Übung.

Charakteristisch für die Franziska ist der S-förmige Schwung der Oberkante des Blattes, wohingegen die Unterkante einen einfachen Bogen beschreibt. Die Schneide schwingt im unteren Teil stärker zum Stiel hin und hat zwei deutlich ausgebildete Spitzen, deren obere besonders stark ausgeformt ist.

Die vorliegende Axt wurde um 1960 gefunden. Heute liegt dieser Bereich am nördlichen Ortsrand in Höhe der Birkenallee und ist überbaut.

In der Karte zur Urgeschichte von Mannheim und Umgebung (Karl Baumann 1906) wird in diesem Bereich der Verlauf einer römischen Militärstraße vermutet, die Teil der Fernverbindung von Speyer über Wiesloch nach Bad Wimpfen war.

Urne

Seit der Bronzezeit verbrannten die Völker zwischen Rhein und Elbe ihre Toten, indem sie sie in voller Tracht auf den Scheiterhaufen legten. Bis ins 5. Jahrhundert hielten die fränkischen Stämme rechts des Rheins mit wenigen Ausnahmen an dieser alten Sitte fest. Unter romanischem Einfluss gaben die Westgermanen die Brandbestattung zu Gunsten der Körperbestattung auf und entwickelten die typisch merowingische Bestattung im Reihengräberfeld.

Bei der vorliegenden Urne handelt es sich um eine handgeformte Schüssel, wohl eine Terra Nigra-Imitation des 4./5. Jahrhunderts.

Der nähere Fundort und Fundumstände bzw. Fundzeitpunkt sind unbekannt. Das Stück wurde laut Etikettierung um 1900 bei Neulußheim gefunden und im Geologischen Institut der Universität Heidelberg abgegeben und aufbewahrt. 2007 kam sie durch Dr. Kurt Rambo, Zoologisches Institut der Universität Heidelberg, zum Neulußheimer Heimatverein.

Die Urne wurde beim Landesamt für Denkmalpflege in Karlsruhe (Regierungspräsidium Karlsruhe, Referat 26, Abteilung Archäologische Denkmalpflege) von Herrn Dr. Günter Wieland begutachtet, datiert und der Inhalt der Urne untersucht. Dieser bestand aus feinem Sand und Leichenbrand. Dieser wurde gesiebt und ausgelesen. Neben Knochenresten und Backenzähnen fanden sich Fragmente und Eisenniete eines dreilagigen Beinkammes mit dreieckiger oder glockenförmiger Griffplatte.

Auffällig ist, dass es Berichte über sehr ähnliche Urnengräber aus Altlußheim gibt: So vermerkt G. Kraft 1926 u.a. „eine kleine Schalenurne, bis an den Rand gefüllt mit kalzinierten Knochenstückchen und Sand. Das Etikett besagt: Altlußheim, fränk. Reihengräber, 3. Urne.“ E. Wagner berichtet 1911, dass 1863 bei Altlußheim 18 Bestattungen der Völkerwanderungszeit „mit erhaltenen Skeletten ...“ und Beigaben gefunden worden seien. Die Funde kamen in Privathände und aus ihnen zum Teil in die Großherzogliche Sammlung Karlsruhe. Auch 1891 sollen an der selben Stelle nochmals zwei Gefäße gefunden worden sein. Die Fundstelle lässt sich heute noch einigermaßen lokalisieren: Sie liegt im Bereich einer ehemaligen Sandgrube, heute vom Sportgelände überbaut zwischen B 39 und nördlichem Ortsrand von Altlußheim.

 


 

Villa Luzheim


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In der ersten schriftlichen Überlieferung von 946 wird der erste Name mit „villa luzheim“ angegeben (villa = Landhaus). Es finden sich aber auch die folgenden Schreibweisen:

Luzheim 1156, 1159,1245

Villa Luschheim 1163

Luezheim 1177, 1197, 1219, 1246

Lozheim 1231

Lussheim 1238, 1516

Lusheim 1254, 1279, 1293, 1316, 1326

Luzsheim 1317

Lussen 1520

Lußheim 1330, 1341, 1466

Villa Lüzheim 1344

Lussaw 1548

In den päpstlichen Rechnungsbüchern von 1520 wird der Ort auch „Lussen“ genannt, eine Schreibweise die der heutigen im Dialekt „Altlosse und Neilosse“ entspricht.

Die Bedeutung der Silbe - Luß -  bedeutet im althochdeutschen „Sumpf, Morast oder Ried“, wobei aber die Muttergemeinde Altlußheim auf dem trockenen Hochgestade des Rheines liegt. Die Geschichtsforschung geht heute davon aus, dass die Siedlungen sich von fränkischen Personennamen ableiten, so dass der Name Lussheim  (= Heim des Lusso) sich auf einen Franken namens Lusso zurückführen lässt.

Die Lußhardt

Die Lußhardt wäre demnach ein Wald im Sumpf, der Name bezeichnet heute noch ein Waldstück zwischen Neulußheim und Bruchsal. Die Lußhardt gehörte ursprünglich zum königlichen Hofgut in Bruchsal. 1056 übertrug Kaiser Heinrich III. (1017-1056) aus dem Geschlecht der Salier diesen im Kraichgau gelegenen Hof und Forst, den damals ein Graf Wolfram als salisches Lehen besaß, der Speyerer Kirche (curtis Bruoselle dicta cum foresto ad eandem curtem pertinente Luzhart nominato in pago Cragowe et in comitatu Wolframmi sita). Nach der Schlacht bei Seckenheim 1462 musste der Speyerer Bischof Johannes II. von Hoheneck (Bischof von 1459-1464) den Wildbann in der Lußhardt an Kurfürst Friedrich den Siegreichen (*1425; Kurfürst 1451-1476) und damit an die Kurpfalz abtreten. Als Wildbann bezeichnet man das ursprünglich nur dem König zustehende Recht auf Jagen, Fischfang und Rodung in einem Wald. Die Folge der Abtretung waren Jahrhunderte lange Prozesse zwischen der Kurpfalz und dem Hochstift Speyer um die Jagdgrenze im Gebiet von Lußheim bis Zuzenhausen.

Kurptälzische Witdbanngrenze 1548, colorierte Pinsel- und Federzeichnung von Wolf Reuss (GLA Karlsruhe Abt. H/Dielheim 11)

Lußheim wird Eigentum des Klosters Maulbronn

Die erste schriftliche Erwähnung des Ortes Lußheim findet sich in einer Urkunde von Konrad dem Roten (922-955) von 946, die allerdings nur in einer Abschrift aus dem 13. Jahrhundert überliefert ist. Konrad war Graf des Speyergaus und stammte aus dem Geschlecht der Salier. Er übereignete in dieser Urkunde dem Hochstift Speyer 144 Morgen Ackerland in Lußheim. Kaiser Heinrich III. (1017-1056), ebenfalls ein Salier, schenkte am 4. Mai 1056 den Speyerer Domherren den Hof Bruchsal mit dem dazugehörigen Wald Lußhardt. Sein Sohn, Kaiser Heinrich IV. (1050-1106), bestätigte am 31. Januar 1063 dem Bischof Einhard von Speyer, Graf von Katzenellebogen (1060-1067) diese Schenkung, die noch erweitert wurde, so dass die Grenze sich mit dem Verlauf des unteren Leimbaches auf der Linie Walldorf-Oftersheim-Schwetzingen deckt. 1138 übereignete Bischof Siegfried von Speyer, Graf von Wolfsölden (1127-1146) Lußheim dem neu zu gründenden Zisterzienserkloster Maulbronn. Die Äbte als neue Grundherren übten nun die Niedergerichtsbarkeit in Zivilsachen aus, bestimmten die Amtspersonen, wie Gerichtsleute und Schultheiß, und bekamen den Zehnten als Steuer. Die Bischöfe von Speyer behielten sich aber als Mitbegründer des Klosters die Schutz-, Schirm- und Vogteigerechtigkeit und die oberste Gerichtsbarkeit (Kapitalverbrechen und Todesstrafen) vor. Die Lußheimer mussten auch weiterhin den Bischöfen den Huldigungseid leisten und diese beanspruchten das Wildfangrecht, die Leibeigenschaft, die Rauchhuhnübergabe, Leibzinsen und die Geleits-, Fisch- und Jagdgerechtigkeit in Lußheim. Das Wildfangrecht gesteht dem Landesherrn zu, Reisende in seinem Land, welche sich nicht ausweisen können und keiner anderen Landesherrschaft zuzurechnen sind, als seine Untertanen zu beanspruchen. Diese sich überschneidenden Rechte führten im 18. Jahrhundert zu ständigen Reibereien. Die Schirmherrschaft über Maulbronn und somit auch über Lußheim übten seit 1325 die Pfalzgrafen bei Rhein, seit 1356 Kurfürsten von der Pfalz, aus. Im Landshuter Erbfolgekrieg erlangte 1504 Herzog Ulrich von Württemberg (1487-1550) die Schirmherrschaft, welche die Herzöge von Württemberg bis 1806 über Lußheim ausübten. Für den Streubesitz richtete Württemberg für das seit 1556 evangelische Kloster Maulbronn in Unteröwisheim eine Verwaltungsstelle ein. Der sogenannte Stabspfleger, ein Verwaltungsbeamter, hatte auch im Maulbronner Hof in Speyer einen Dienstsitz.

Durch den 30jährigen Krieg 1618-1648 und den pfälzischen Erbfolgekrieg 1688-1697 wurde das Gebiet am Oberrhein vollkommen verwüstet. 1701 brach erneut ein Krieg aus, wobei es um die spanische Erbfolge ging. Trotz der nahen Festung Philippsburg musste die hiesige Gegend weniger kriegerische Ereignisse erdulden, als bei den vorher gehenden Kriegen.

Jetzt plante man von württembergischer Seite aus die öden Felder von Lußheim wieder zu bewirtschaften, da die wenigen Einwohner kaum bzw. keine Steuern mehr zahlen konnten.

An der Furt über den Rhein

Die Möglichkeit in Altlußheim über den Rhein zu setzen, spielte eine wichtige Rolle, da mit dem Besitz der Fährrechte auch Zolleinnahmen zusammenhingen. 1306 wird die Fähre über den Rhein bei Lußheim nahe Speyer erwähnt: navigium per Renum apud Luzheim prope Spiram. Und 1433 heißt es: das fare uff dem Ryne gein Lußheim uber. Die Fährrechte waren Reichslehen, die vom Bischof an das Domkapitel verkauft, dann aber wieder vom Bischof selbst an Speyerer Bürger in Pacht gegeben wurden.

Von hier, im Bereich der Steinlache, führte die alte Reichsstraße über Wimpfen nach Osten, die später als Kaiserstraße bezeichnet wurde. Für einen festen Satz Fergenkorn (Ferge  = Fährmann, Lohn des Fährmannes) hatten die Lußheimer das Recht, jederzeit übergesetzt zu werden.

Die Fähre wurde 1840 durch eine mobile Schiffsbrücke ersetzt, die 1873 auch für den Eisenbahnverkehr zwischen Speyer und Heidelberg eingerichtet wurde. Erst 1938 baute man eine feste Rheinbrücke, die aber bereits kurz vor Ende des 2. Weltkrieges wieder gesprengt wurde. 1955 errichtet man die heutige Salier-Brücke.

 


 

Julius Schickard


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Die Familie Schickard

Der Neulußheimer Ortsgründer Julius Friedrich Schickard stammte aus einer bedeutenden württembergischen Familie. Die Schreibweise des Familiennamens variiert von Schickard zu Schickardt und Schickhardt. Die frühesten Wurzeln der Familie finden sich 1455 in Siegen in der Herrschaft Nassau. Seit 1503 findet man die Familie im württembergischen Herrenberg wieder.

Heinrich Schickardt

Der bekannteste Vertreter der Familie Schickard lebte von 1558 bis 1635 und war herzoglich-württembergischer Hof- und Landbaumeister. Er war der Urgroßonkel von Julius Friedrich Schickard. Sein wichtigstes Werk ist die Stadtanlage von Freudenstadt, einer Planstadt der Spätrenaissance in Form eines Mühlenspiels. Weitere Werke in Württemberg sind das Schloss in Altensteig, der Stadtturm von Backnang, das Badhaus und das Paternosterschöpfwerk in Bad Boll, die Aufstockung des alten Rathauses in Esslingen, die Stadtkirche und das Badhotel in Göppingen, der Pomeranzengarten in Leonberg, die Ulrichsbrücke in Köngen, der Fruchtkasten in Stuttgart, die Turmspitze der Martinskirche in Metzingen, der Wiederaufbau von Oppenau nach dem großen Stadtbrand von 1615, der Stadtplan von Schiltach, in Tübingen: der Brunnen auf dem Marktplatz, das Wilhelmsstift und das Schlossportal sowie viele andere Bauten.

In der zur Württemberg gehörenden Grafschaft Mömpelgard in der heutigen Franche-Comté war Heinrich Schickardt verantwortlich für den Ausbau der Stadt Montbéliard, die Kirche in Blamont, die Kirche und das Schloss in Horbourg-Wihr (zerstört) und Häuserbauten in Riquewihr.

Wilhelm Schickard

Berühmtheit erlangte auch Wilhelm Schickard (1592-1635), Großonkel von Julius Friedrich Schickard. Er war Professor für orientalische Sprachen und Astronomie an der Universität Tübingen und Erfinder einer funktionstüchtigen genialen Rechenmaschine.

Johann Christian Schickhardt

Auch ein anerkannter Musiker findet sich in der Familie mit Johann Christian Schickhardt (1682-1762), aus dem norddeutschen Zweig der Familie. Er spielte nicht nur Oboe und Flöte am Hamburger Opernhaus am Gänsemarkt, sondern komponierte auch kammermusikalische Werke für Altblockflöte und war Kapellmeister am landgräflichen Hof von Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt (1667-1739).

Julius Friedrich Schickard

Herkunft und Abstammung

Die wenigen Lebensdaten des Neulußheimer Ortsgründers finden sich auf einem überlieferten Familienstammbaum. Vater war Johann Sebastian Schickardt, Arzt in Stuttgart. Dieser hatte zusammen mit seiner Frau Maria Ursula Ettlinger aus Gernsbach sieben Söhne und zwei Töchter. Der Älteste, Christian Friedrich (1675-1730), war Syndicus (Rechtsberater des Stadtrates) von Tübingen. Unter den jüngeren Söhnen finden sich ein Floßhändler in Calmbach, ein Schultheis in Unteröwisheim und ein Hauptmann, der in den Türkenkriegen 1716 bei Belgrad gefallen ist. Julius Friedrich Schickard war der zweitgeborene Sohn und das dritte Kind seiner Eltern. Mit Ausnahme des Geburtsjahres 1679 sind weitere Daten nicht bekannt. Auch seine Ausbildung und der genaue Geburtsort bleiben vorläufig noch im Dunkeln.

Beruflicher Werdegang

Seit 1698 scheint Julius Friedrich Schickard in württembergischen Diensten zu stehen. Schon vor 1707 versah Julius Friedrich Schickard das Amt des württembergischen Stabspflegers des Klosters Maulbronn mit Dienstsitz im Maubronner Hof in Speyer. Durch seine Tätigkeit entstand ein umfangreicher Briefwechsel mit seinem obersten Dienstherren, dem württembergischen Herzog Eberhard Ludwig (1676-1733). Der erste uns überlieferte Brief datiert vom 11. Februar 1707. Daraus geht hervor, dass Schickard schon länger die „hohe gnade die Pfleeg Speyer mir Gnädigst anvertrauet worden“ ist. Er bietet der Landesherrschaft an, die durch den verheerenden Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1687) brach liegenden Ländereien, welche die Lußheimer Bauern nicht mehr bewirtschaften können, den Besitzern wegzunehmen, und „einem anderen geben, der es entweder Vor aigen Behalte, und Nach der qualitiet Deß Stückhs mit etwas Gelt, in billichen Werth bezahle, oder ohne Entgelt wie aigen wyr; oder Daß Ich Einen Wüsten Ackher, Einem, Der solch bauen Will, auf 2. 3. biß 4. Pflug Rechte (nachfolgende Generationen), ohne Raichung einiger Gülttheil Garben und Dergleichen, also umbsonst Zu Genüssen, heimbraumen Darf“. Schickard plante also von Anfang an, Neusiedler mit brachliegenden Gütern auszustatten. Sein Adressat ist stets der Herzog von Württemberg, doch ist kein eigenhändiger Antwortbrief des Herrschers erhalten, sondern nur einer mit der Unterschrift von zwei Räten. Dabei handelt es sich um den sogenannten Hofbrief vom 2. Mai 1711, der eigentlichen Gründungsurkunde von Neulußheim, Julius Friedrich Schickard war auch Amtsschreiber in Unteröwisheim, wo sein Bruder das Schultheißenamt inne hatte.

Familie Julius Schickard

Obwohl Julius Schickard in dem neu gegründeten Lußhofen einen landwirtschaftlichen Gutsbetrieb, eine Ziegelei und die Wirtschaft „Zum Bären“ besaß, hatte er nicht seinen Lebensmittelpunkt hierher verlegt. Es scheint so, dass er zwischen seinen Amtssitzen Speyer und Unteröwisheim hin und her pendelte und in Neulußheim nur die Oberaufsicht über seine Besitztümer führte, die wahrscheinlich verpachtet waren. Dies belegt die Tatsache, dass die Kinder von Julius Friedrich Schickard und seiner Ehefrau Catharina Margaretha, geb. Essig, sämtlich in Unteröwisheim geboren wurden. Das älteste Kind war die am 8. Februar 1709 geborene Catharina Margaretha, welche am 17. Juni 1727 Georg Ludwig Mieg, den Nachfolger ihres Vaters in Unteröwisheim heiratete. Es folgte die am 10. Juni und schon am 8. Oktober 1710 verstorbene Tochter Christiana Friederica. Am 26. Dezember 1712 erfolgte die Geburt des Stammhalters Julius Friedrich. Danach folgte Juliana Dorothea, welche am 21. Mai 1714 geboren wurde und schon am 1. Juni 1717 verstarb. Auch die nächste Tochter Maria Ester hatte vom 2. Februar 1716 bis zum 7. August 1727 ein kurzes Leben. Die am 18. September 1717 geborene Charlotta Loysa heiratete am 17. Mai 1757 den hochfreiherrlich-kechlerischen Amtmann zu Diedelsheim, Theodor Jacob Rößler, ihr Todesdatum ist unbekannt. Als siebtes und letztes Kind kam am 8. Oktober 1722 der Sohn Wilhelm Friedrich auf die Welt. Seine Paten sind überliefert, leider aber nicht sein weiterer Lebensweg.

Die letzten Akten, die Neulußheim betreffen und von „J. Schickard“ unterzeichnet sind, datieren vom 20. August 1719. Ob er noch bis zum ersten erhaltenen Brief seines Nachfolgers Johann Elias Currling vom 17. April 1723 als württembergischer Stabspfleger tätig war, konnte bislang nicht ermittelt werden. Sein weiterer Lebensweg und der seiner Familie bleiben ungeklärt. Im Familienstammbaum ist lediglich sein Todesdatum mit dem 10. Juli 1735 verzeichnet. Sein Ast endet mit ihm, was darauf schließen lässt, das seine Söhne früh verstarben bzw. kinderlos blieben.

Nachdem Julius Friedrich Schickard schon am 26. Oktober 1710 von Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg in einem Schreiben um 100 Morgen Ödland in der Lußheimer Mark gebeten und auch erhalten hatte, versicherte er sich als vorausblickender Beamter auch der Zustimmung der Muttergemeinde Altlußheim. Dieser geschickte Schachzug datiert vom 19. März 1711 und galt bisher als die Gründungsurkunde von Neulußheim.

Gründungsurkunde von Neulußheim

Mit dem verschollenen original übereinstimmende Abschrift vom 12. Januar 1718, GLA Karlsruhe 229/62923 Folio 34-37

„Lußheim
Daß Fleckhen Freyheits – Brief
Dem Pfleeger Schickarden
Auf dessen Neuanlegenden Hof ertheilt
19. Martij 1711

Nachdem der Maulbronnische Pfleeger Zu Speyr Julius Schickard Von Ihro h(och)fürstl.(iche) Durchl(auch)t zu Württemberg unserem allerseits gnädigsten Fürsten und Herrn, die hohe Gnade erhalten, daß Demselben Ein Wüstes Stück Feld an der St.Leoner – auch Hockenheimer und Waghäusler Straß Vor aigenthümlich, Zu Bauen, und einen Hof mit einer Würthschaft dahin zu setzen gnädigst überlassen Worden, hatt Derselbe uns Dato remonstriert, daß Ihme höchstgedacht Ihro h8och)fürstl.(iche) D(urc)hl(auch)t Unser Gnädigster Herr, dabey diese special Gnade bezeuget, daß Er Pfleger auf Zehn Jahr Lang aller herrschaftlichen Beschwerden an Zinssen, Gülten p.p. und Dergleichen Prestationen einen völligen Nachlaß und Freyheit erhalten, Dabey aber uns ersucht, daß auch Wür ihm Fleckhens wegen deßjenigen so etwan die Gemeind hieran Zu suchen auf obige Zeith frey lassen wollten; Und Wir nun demselben in disem Gesuch gerne Willfahrt, Als attestation und bekennen Wür hiemit und in Krafth diß, daß Wür Fleckhens wegen, Von disem Neu ahnlegenden sambtlichen Guth Gleichfalls Zehen Jahr Lang Durchauß Nichts fordern – sondern Dasselbe Ihme Pfleger gleichfalls Völlig geschenkht und Nachgesehn haben wollen, dergestalten daß inner dieser Zehnjährig Zeith Kein Ahnlag, Frohn, Quartir oder dergl.(eichen) davon nicht gefordert werden solle, und das Vornehmlich der Ursachen, Weil

  1. dieser Unser Vorgesezte Beambte Felckhens und hiesiger Gemeinde Wegen schon Viele Mühe getragen
  2. Die Ausstockung und Erbauung Dises Guths sehr großen Costen erfordert, und Daher bey gegenwärtigen Kriegs Zeithen Niemanden sich dessn unterfang (en) hätte, folglich
  3. Noch Viele Jahre Wüst Ligen Bliben wäre, und weder Gnädigster Herrschaft noch der Gemeind gleichfalls das geringste Nicht ertragen hätte.

Doch behalten Wür uns hiemit expressé bevor, daß nach Verflissung dieser Zehen Jahren Von Gegenwärtig Guth alle bürgerliche Beschwerden an Frohnen, quartir, Vorspahn und Flecken Anlagen, nach proportion andere Hisigen Innwohner Völlig abgestattet werden – und weiter keiner Freyheit Genüssen solle, welches dann auch besagter Pfleger uns Versprochen, und alle Beschwerden, wie andere Bürger und Innwohner Völlig Zu übernehmen und Zu tragen Versprochen hatt.

Zu Urkundt Lußheim,

d(en) 19.t(en) Martij 1711

Raisiger Schultheiß und

Richtern Daselbs

Johann Jacob Beihel

Leonhard Mackh

Daniel Schwechheimer

Matthes Midell

Conrad Müller

Vor Stephan Schölshorn

Und Vor Peter Schwesinger

Und Vor mich

Johann Philipp Fischer

Cornelius Ballreich

Johann Peter Ochß

Concordat cum originali

Speyr, d(en) 12. Jan.(uar) 1718

Pfleger J :Schickard“

Durch ausführliche Recherchen in Unterlagen des Generallandesarchivs in Karlsruhe gelang es kurz vor der Eröffnung der Heimatstube für Ortsgeschichte am 20. März 2011, die eigentliche Gründungsurkunde von Neulußheim ausfindig zu machen. Es handelt sich um die tatsächliche Erlaubnis der herzoglich-württembergischen Regierung, vertreten durch zwei Räte, welche die Urkunde ratifizierten, ein neues Hofgut zu Lußheim zu gründen – die Keimzelle der heutigen Gemeinde Neulußheim.

„Copia Hof-Briefs von Ihro h(och)fürtlich

Herzog Eberhard Ludwig

Herzog Eberhard Ludwig (1676-1733) von Württemberg stand nach dem frühen Tod seines Vaters, Herzog Ludwig Wilhelm (1647-1677), unter der Vormundschaft seines Onkels, des Herzog-Administrators Friedrich Carl (1652-1698) und seiner Mutter, Magdalena Sibylle von Hessen-Darmstadt (1652-1712). Mit 16 Jahren vom Kaiser für volljährig erklärt, interessierte er sich vornehmlich für die Jagd, höfische Feste und besonders für das Militär. So geriet die Politik Württembergs zunehmend in die Hände des Geheimen Rates, die Landstände verloren an Macht. Eberhard Ludwig war kaiserlicher Heerführer im spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) und seit 1710 Oberbefehlshaber des Reichsheeres am Oberrhein in Vertretung des Prinzen Eugen von Savoyen im Krieg gegen Frankreich. Der prachtliebende Herzog erschöpfte die württembergischen Finanzen durch den ab 1704 erfolgten Bau von Schloss und Stadt Ludwigsburg, das zeitweise Stuttgart als Haupt- und Residenzstadt ablöste. Er galt in zeitgenössischen Beschreibungen als oberflächlich und sehr leicht beeinflussbar. Seit 1708 stand er unter der Herrschaft seiner Mätresse Wilhelmine von Grävenitz (1686-1744), die als die „Landverderberin“ in die württembergische Geschichte eingegangen ist. Durch seine Bestrebungen, Württemberg absolutistisch zu regieren, bildete sich im Land der Pietismus aus.



Lußhofen 1723


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Des Dorfes Lußhofen oder deßen Inwohnern Häußer Anno 1723

Christian Dathan, in Speyer

Kolorierte Pinsel- und Federzeichnung
Originalgröße: 83 cm x 56 cm



Gemarkung und Besiedelung


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Gemarkungsplan von 1724 mit dem Bachbett des Kriegbaches (Grichbach), der zu dieser Zeit noch in den Wagbach mündete.

Originalgröße 41,5 cm x 34 cm

Idealplan für die Besiedelung von Lußhofen 1716
Anlage der Grundstücke in der Speyerer Straß (Mitternacht), St. Leoner Straß (Mittag), Waghäuseler Straß (Abend) und Heidelberger Straß (Morgen)

Schickard plante giebelständige Hausanlagen.
Anlage des Ortsmittelpunktes an der Kreuzung der 4 Hauptstraßen mit Schickardschem Hof, Gasthaus „Zum Bären“, Kirchplatz und Rathausplatz

Originalgröße 70 cm x 42,5 cm



Lußhofen oder Calabria


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Gründung eines „Hofguth zu Lußheim“

Nach dem Ende des Pfälzischen Erbfolgekrieges 1697 lag die Siedlung Lußheim in Schutt und Asche. Nur 18 Bürger und Hintersassen, 13 Witwen und 28 Waisen hatten überlebt.

20. Juli 1698 Der damalige Stabspfleger des Klosters Maulbronn, Johann Georg Ort, berichtete Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg, dass der Ort Lußhofen wegen der Verarmung der Siedler keine Steuern abliefern konnte.

„Deshalb ich die Inhaber solcher Güter um Ihren Rückstand für das Jahr 1688 und wegen des Gütergenusses in Kriegszeiten und des heurigen Jahr angefordert, welche mir kläglich entgegen gestellt haben, daß die eingeheimsten Früchte Anno 1688 durch die bei der Belagerung von Philippsburg angerückte Armee gänzlich aufgezehret wären. Mithin nähmiglich in das Elend verjagt worden, wodurch auch der mehre Teil sein Leben eingebüsst hat.“

Neun Jahre später hatte sich an der Situation nicht viel geändert, denn der jetzige Stabspfleger, Julius Friedrich Schickard, unterbreitete dem württembergischen Landesherren seine Pläne zur Lösung des Problems.

11. Februar 1707 Der Pfleger Julius Friedrich Schickard berichtete von Öd- und Brachland in Lußheim.

„Ich habe in der Zeit als Eure Fürstliche Gnade die Pflege Speyer mir gnädigst anvertraut worden, in acht genommen, daß in dem dahin gehörigen Flecken Lußheim noch sehr viele Güter wüst liegen, welche die Elgenthumsinhaber selbst nicht dies zu benutzen verlangen, doch auch anderen nicht überlassen wollen.

16. Oktober 1710 Julius Friedrich Schickard bat den Herzog von Württemberg um die Überlassung von 100 Morgen aus dem Brachland auf der Gemarkung Lußheim.

auch will Ich in Untertänigkeit trachten, einige Handwerks und andere Leuth, Tagelöhner auch zu persuadieren, daß sie gleichfalls dahin bauen und daselbst wohnen mochten.“

19. März 1711 Zustimmungserklärung der Lußheimer

10 Lußheimer Bürger, einschließlich des Bürgermeisters, bestätigten mit ihrer Unterschrift, dass sie für die Bewirtschaftung der brachliegenden Äcker nicht selbst tätig werden könnten, infolge der Auswirkungen der Kriegszeiten. Damit war nicht nur der alles zerstörende Pfälzische Erbfolgekrieg, sondern auch der gegenwärtige Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714) gemeint. Man anerkannte die Bemühungen von Schickard und sicherte den neuen Siedlern zehn Jahre Steuerfreiheit und Privilegien zu.

Nachfolgend der originale Wortlaut der Zustimmungserklärung, die in Klammern stehenden Buchstaben sind redaktionelle Ergänzungen zum besseren Leseverstehen:

Mit dem verschollenen Original übereinstimmende Abschrift vom 12. Januar 1718, GLA Karlsruhe 229/62923 Seite 34-37

„Lußheim
Daß Fleckhen Freyheits – Brief
Dem Pfleeger Schickarden
auf dessen Neuanlegenden Hof ertheilt
19. Martij 1711

Nachdem der Maulbronnische Pfleeger Zu Speyr Von Ihro h(och)fürstl.(iche) Durchl(auch)t zu Württemberg unserem allerseits gnädigsten Fürsten und Herrn, die hohe Gnade erhalten, daß Demselben Ein Wüstes Stück Feld an der St.Leoner – auch Hockenheimer und Waghäusler Straß Vor aigenthümlich, Zu Bauen, und einen Hof mit einer Würthschaft dahin zu setzen gnädigst überlassen Worden, hatt Derselbe uns Dato remonstrirt, daß Ihme höchstgedacht Ihro h(och)fürstl.(iche) D(urc)hl(auch)t Unser Gnädigster Herr, dabey dise special Gnade bezeuget, daß Er Pfleger auf Zehn Jahr Lang aller herrschaftlichen Beschwerden an Zinssen, Gülten p.p. und Dergleichen Prestationen einen völligen Nachlaß und Freyheit erhalten, Dabey aber Uns ersucht, daß auch Wür ihm Fleckhens wegen deßjenigen so etwan die Gemeind hieran Zu suchen auf obige Zeith frey lassen wolten; Und Wir nun demselben in disem Gesuch gerne Willfahrt, Als attestation und bekennen Wür hiemit und in Krafth diß, daß Wür Fleckhens wegen, Von disem Neu ahnlegenden sambtlichen Guth Gleichfalls Zehen Jahr Lang Durchauß Nichts fordern – sondern Dasselbe Ihme Pfleeger gleichfalls Völlig geschenkht und Nachgesehn haben wollen, dergestalten daß inner dieser Zehnjährig Zeith Kein Ahnlag, Frohn, Quartir oder dergl.(eichen) davon nicht gefordert werden solle, und das Vornehmlich der Ursachen, Weil

  1. diser Unser Vorgesezte Beambte Felckhens und hiesiger Gemeinde Wegen schon Viele Mühe getragen
  2. Die Ausstockung und Erbauung Dises Guths sehr großen Costen erfordert, und Daher bey gegenwärtigen Kriegs Zeithen Niemanden sich dessen unterfang(en) hätte, folglich
  3. Noch Viele Jahre Wüst Ligen Bliben wäre, und weder Gnädigster Herrschafth noch der Gemeind gleichfalls das geringste Nicht ertragen hätte.

Doch behalten Wür uns hiemit expressé bevor, daß nach Verflissung dieser Zehen Jahren Von Gegenwärtig Guth alle bürgerliche Beschwerden an Frohnen, quartir, Vorspahn und Flecken Anlagen, nach proportion andere Hisigen Innwohner Völlig abgestattet werden – und weiter keiner Freyheit Genüssen solle, welches dann auch besagter Pfleeger uns Versprochen, und alle Beschwerden, wie andere Bürger und Innwohner Völlig Zu übernehmen und Zu tragen Versprochen hatt.

Zu Urkundt Lußheim,

d(en) 19.t(en) Martij 1711

Raisiger Schultheiß (=berittener Dorfbeamter/Bürgermeister) und Richtern Daselbs

Johann Jacob Beihel

Leonhard Mackh

Daniel Schwechheimer

Matthes Midell

Conrad Müller

Vor Stephan Schölshorn

Und Vor Peter Schwesinger

Und Vor mich

Johann Philipp Fischer

Cornelius Ballreich

Johann Peter Ochß

Concordat cum originali

Speyr, d(en) 12. Jan.(uar) 1718

Pfleger J:Schickard“

2. Mai 1711

Julius Friedrich Schickard erhält die amtliche Erlaubnis der herzoglich-württembergischen Landesregierung, bestätigt mit Siegel und Unterschrift von zwei Räten, ein neues Hofgut zu Lußheim anzulegen. Dieses bisher nicht bekannte Dokument gilt als die offizielle Gründungsurkunde unserer Gemeinde Neulußheim.

Generallandesarchiv Karlsruhe 229/62923 Seite 38-45

Hof-Brief des Herzogs Eberhard Ludwig vom

2. Mai 1711 an den Maulbronn. Pfleger zu Speyer

Julius Schickard:

Inhalt: Erlaubnis, ein neues Hofgut zu Lußheim

anzulegen

GLA 229 – 62923, S. 38 – 45

Copia Hof-Briefs von Ihro h(och)fürstl. Durchl. dem Regierenden Herrn Herzogen Zu Württemberg

über

Ein New anlegendes Hofguth Zu Lußheim,
Dem Maulbr. Pfleeger Zu Speyr Julio Schickard gnädigst ertheilt.
2. May a(nno) d(omini) 1711.

Von Gottes Gnad(en) Wür Eberhard Ludwig Herzog Zu Württemberg und Töckh, Grawe Zu Mömpelgardt, Herr zu Heydenheimb, der in Gott hochstseeligt ruhenden Römisch Kayserl. May(e)st. Und Deß Heyl. Röm. Reichs – wie auch Deß Löbl. Schwäbisch Krayses resp(ektabler) General Feld Marchall und G(ene)ral der Cavallerie thun kund hiemit jedermänniglich, Demnach Unser Maulbronn. Pfleger Zu Speyr Julius Schickhard, uns in Mehrerem U(nter)th(äni)gst Vorgestelt, waßgestalten die h(och)fürstl. Landts und Andere Ordnungen und rescripta = deßgl. die Gnädigst erlaßene Special Befehle an Handt geben, dass mann auf allerthunliche weis suchen solle, die durch die continuierlichen Kriege ziemlich theils eröedeten Felder wider in cultur und Baw zu bring(en), hätte er seiner U(nter)th(äni)gst(e)n Schuldigkeit und Obhabenden Ambtspflichten Nach, Vornehmlich aber auß der führend Getrewen Intention, der demselben geh(orsam)st anvertrawten Maulbronn. Pfleeg Speyr Interehse Zu befördern, sich bißher eufrigst angeleg(en) seyn laßen, die Innwohner deß Dorfs Lußheimb an Rhein, Zu besagter Pfleeg Speyr Gehörig, Zu persnadiren, die in dersselben Marckhung und Zwäng Ligenden sehr Viele eröedete und Wüste Güther wider außzustathen und in Baw zu bring(en), habe aber umb Der continuirlich Beschwerlichen Krigs Zeit willen, solches bißher Zu schlechtem effect bring(en) können, Daher mich mit Gott! entschloßen, Die Unsere Geh(orsam)ste Intention Zu erfüllen, der Pfleeg Interehse Zu Vermehren, dann andere Zu gleicher Arbeith desto Mehr aufzumuntern, Von Gedachten Zu Lußheimb Befundlich(en) Vielen öed und Verwachsenen Güthern, Einen zimlichen Theil auf Gewisse Conditiones Erb und Aigenthümlich zu übernemen, mit U(nter)th(äni)gst(e)r Bitte, wir ihme solche gnädigst angedeyen: und gratis überlaßen wollten; Gleichwie wür nun dessen Unterthänigstes Ansuchen nicht Vor unbillich erkannt, Ihme deßweg(en) auch Darin geh(orsam)st willfahrt haben; Also schenkhen und übergeben Wür auch, auß habend Landtsfürstl. Hoher Macht und Gewalt, gedacht unserem Pfleeger Julio Schickarden, und allen dessen Erben und Nachkomen, umb der Uns bißher Geleisteten und fürterhin noch ferner Anhaftend(en) getreuen diensten, Unterthänigkeit = und Gehorsambs Willen, von besagten öeden Lußh(eimer) Feldern an derjenig Kreutzstraß, so Von dem Fleckhen St. Leon auf besagtes Lußh(eim), Dann Von Hokhenheimb auf Waghäusel über deß Dorfs Lußh(eim) Markung gehet,

Einhundert Morg(en) Feldts – sambt dem Darauf stehend(en) Holz mit der geh(orsam)sten Concession, daß er dahir einen Newen Hof, mit Einer-Zwey-od(er) Mehr Wohnung(en) und Gebawen, Mayerey – Braw- und Würthshaus, Scheuern, Stallung(en) Hofraithümern und Zwey, Drey od(er) Mehr Morg(en) Zu Gärdten – doch dergestalten daselbs anleg(en) möge, daß derselbe Nach Verflüßung der hirnach gemelten Frey Jahr, Zu besagter Pfleeg Speyr hinkünftig Jährl. auf Martini an öwig Heller- und Boden Zinß Dreyzehen Kr(eu)z(er), deßgl. so Viel Die Gebaw betrf. auf absterben, dass jedermahlig Besizers und Innhabers, Von Deren jedem so bewohnt – und worinnen Ein Rauch geführt wird, allweg(en) ein Herdtrecht, nach der Gewohnheith deß orths und dem Innhalt des Lagerbuchs mit dreyzig Kr(eu)z(ern) Von einem Morg(en) Zu Gartten richtenden Ackhers Aber, anstatt deß abgehend(en) Frucht-Zehendens und Landacht(en), an Gelt pro Canone so Viel als a proportione des Fruchtertrags es dem Morgen nach belaufen möchte, Nach Zellg Zu entrichten und Zu bezahlen schuldig seyn solle, welch änders Feld derselbe auf sein und der seinig(en) Kosten auszureitten, außzustocken, und in Baw zu bringen, und nach beschehenem Außreitten Urkundlich und Ohnpartheyisch außzumeßen, Davon Dann Euer Schickard und deßen Erben, und die jedes Mahlige Künftige Besitzern dises Guths, nicht allein Nach Verstrichenen Frey Jahren der Pfleeg Speyr, wie Von all anderen Güthern zu Lußheimb beschiehet, den Zehenden Von allen Erwachsenden Früchten Getrewlich Zu raichen, sondern auch wann dieses Feld mit Wintter und Somerfrucht eingeschnitten wird, wie ab andern Zelglichen und der Enden Ligenden Güthern Zu Lußheimb, von jedem Morg(en) Ein Simrin** Rockhen Speyerer Maß zu Schuldiger Landacht oder Zelgfrucht, auf der Pfleeg Speyher zu Lußheimb zu liefern hatt. Wir wer(den) dann

Noch ferner alle diejenigen Forderung(en), so Wür Unsere Geistliche Kamer und das Kloster Maulbronn bißher an Zehenden, Zinß, Gülten und Anderm an dises Wüste Guth zu Mach(en) gehabt hätten, oder Machen könnten hirmit pro praeterito völlig

** = Simmer: bis 1872 deutsches Hohlmaß für schüttbare feste Körper (z.B. Getreide): rd 0,23 -2,22 hl

G(e)h(orsams)d Nachlaßen, schenkhen,   von allen Schulden Hypoteckhen Frey und Ledig sprechen, dargegen uns die perpetuirliche Widerlosung Vor Reserviren.

Disen New erbawenden Hof, sambt dazu gnädigst überlassenem Feld, und Waß er Daran Von Jahr Zu Jahr auszustockh(en) Vermag, ihme allwegen drey Jahr mit in Großen Zehenden Gehörig(en) Früchten Frey zu genüßen, hirmit geh(orsams)t erlauben, dergestalten, Daß er Die seinige und dises Hofs Besitzer, dises Guth Dreymahl – mit Zum Größen Zehend(en) Gehörig(en) Früchten dreymahl genoßen, Er werde Zinß – Zehende – Landacht – und andere Hersch(aftl.) Gebühr Davon abzustatten Nicht Gehalten – sondern Ihme solches hirmit in so lang ebenmäßig geh(orsams)t Nachgelaßen und Geschenkht seyn – Daß also allein nach Verfloßenen solchen Dreymahligen Frei(en) Genuß, Von dem außergestockhten Antheil, sodann Die Gebühr Nach proportion, Von ihnen Gereicht werden solle. Wür ratificiren auch

Hirmit geh(orsams)t diejenig Verglich, die Er Pfleeger Schickard mit dem Raisig Schultheißen  und Gericht im Nahmen der Gemeinde Lußh(eim) getrofen, crafth welchen, Er und Andere dieses Hofs Besizer Zehen Jahr Lang von allen Gemeind praestationibus an Fleckhencosten und Umlag(en), quartir, Frohnen und Dergl. Frey seyn, Nach Verfließung Dieser Zehen Jahr aber, diser Hof und Guth oder deßen Besizern – mit der Gemeind Lußheimb, Nach proportion Der Güther, in allen Stückh(en) heben und legen, alle bürgerl. Beschwerdten der Comun Mit tragen helfen – hingeg(en) aber auch alle bürgerl. beneficia an accis – Umbgelts – und Anderen Freyheiten – Item Wayd, Waßer, Beholzung und Anders ihnen Gleich zu Genüßen haben solle, auch wollen wür gleichfalls

Die Freyheit geh(orsams)t ertheilt haben, auf Disem Hof das Freye Comercium Zu treiben, auch Denen Vor einig(en) Jahren im Land aufgenomenen Französischen Flüchting(en) oder so genandten Waldensern gnädigst accordirt worden, ohngehintert und ohne Entgelt mönniglichs. Deßen allem Zu Wahrem Urkundt, haben wür Nicht allein unser h(och)f(ü)rstl. Innsigill an disen Hof Brief hängen – werden auch Solchen bey Unserem H(och)f(ü)rstl. Kirchenrath Subscibiren laßen wollen.

Geben in Unserer H(och)f(ü)rstl. Residenz Statt Stuttg(ar)t

Dem 2.t(en) May a(nno) d(omini) 1711.

  1. Scheinermann.
  2. Bauer.

 



Ortsentwicklung 2


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Die Verwaltung

Mit dem Übergang Alt- und Neulußheims an das Großherzogtum Baden im Jahr 1806 aufgrund der von Napoleon diktierten Rheinbundakte ging die Niedergerichtsbarkeit auf das Amtsgericht in Schwetzingen über. Die Rüggerichtstage dienten nun nicht mehr der Strafverfolgung, sondern der Kontrolle der Ortsverwaltung durch die Bezirksbehörde, später Ortsbereisung genannt.

1809 wurde das Ortsgericht in „Gemeindevorstand“ umbenannt, 1831 übernahm der Gemeinderat dessen Funktion. Der Schultheiß oder Vogt wurde ab jetzt „Bürgermeister“ genannt.

Verabschiedung der Gemeinderäte

Noch in der Ortsbereisung 1879 wird die Gemeinde Neulußheim „als die am wenigsten gut situierte von den Gemeinden des Bezirks“ bezeichnet. Die Ertragsfähigkeit der Allmendäcker sei so gering, dass schon verschiedene Berechtigte auf den Bezug verzichtet haben.

Gemeindebeamte und Bedienstete und ihre Gehaltsbezüge 1879
Dienststellung  Name Jahresgehalt in Reichsmark
Bürgermeister Philipp Jakob Rupp 200
Gemeinderat Jakob Hagmann 26
Gemeinderat Andreas Weiß 26
Gemeinderat Philipp Jung 26
Gemeinderat Ferdinand Laux 26
Gemeinderat Mathias Zimmermann 26
Gemeinderat Friedrich Saam 26
Gemeinderechner  Friedrich Saam 160
Ratschreiber Mathäus Katzmaier 315
Polizei- und Gemeindediener Egidius Stief 258
Feldhüter Jakob Langlotz 205
Nachtwächter Friedrich Langlotz 125
Nachtwächter Georg Langlotz II. 125
Taschenboten Margarethe Steidel  120
Fleischbeschauer    

 

 

Auszüge aus der Ortsbereisung im Jahr 1906:

„Gemeindebedienstete sind Berufsratschreiber Mergel, Ratschreibergehilfe Julius Zeiher, Gemeinderechner Villhauer, Polizeidiener Kuppinger und Schmidt, Feldhüter Kraus, Gemeindehebamme Katharina Rausch, ein Leichenschauer, ein Desinfektor,  und ein Laternenanzünder.

Die Straßenbeleuchtung erfolgt durch 16 öffentliche Petroleumlaternen.

Farren (Stier),  Eber und Bockhaltung befriedigen sehr.

Gegenwärtig wird nur eine verwachsene Person öffentlich unterstützt. Der Armenaufwand der Gemeinde in den letzten 3 Jahren war durchschnittlich die niedere Summe von 400 Mark. Ein Armenhaus ist nicht vorhanden und auch nicht erforderlich.

Der Gemeinderat ist fast ausschließlich evangelisch-protestantisch.“

Das Rathaus

Im Jahr 1829 erwarb die Gemeinde das Gasthaus „Zur Sonne“ auf dem Grundstück des jetzigen Anwesens Hockenheimer Straße 9, um es zum Schulhaus umzubauen. Als 1875 ein neues Schulhaus erbaut wurde, zog die Gemeindeverwaltung in die Räume ein. Vorher war sie in angemieteten Räumen oder Privathäusern der Ortsvorsteher untergebracht. 1848 betrug der Mietzins für Bürgermeister Schwesingers Ratszimmer 50 Guldenfl.

Das heutige Rathaus wurde 1914/15 auf dem ehemaligen Friedhofgelände rechts der evangelischen Kirche erbaut. Um Räumlichkeiten zu gewinnen, mussten 1959 ein Grundbuchamtszimmer und 1971 der Rathausanbau mit Bürgermeisteramt angebaut werden. Die Verlegung des Grundbuchamtes und des Standesamtes in das alte Schulhaus Bau A erfolgte 1987.

Die Polizei

1868

„Das Wachhaus mit Arrest an der Straße nach Altlußheim ist ein sehr bescheidenes Gebäude, Das Fenster im Arrest hat weder Scheibe noch Laden und außer einem schmalen Bänkchen, auf welchem eine Person kaum noch sitzen kann, enthält der Arrest keinerlei Requisiten.“

1871

„Polizeiliche Ereignisse hier sind nicht selten, Die jungen Leute verdienen viel Geld und sind händelsüchtig. Ortspolizeidiener Nicolaus Vlllhauer ist brauchbar und tritt fest auf, was hier notwendig ist, da die jungen Burschen roh und sehr zu Excessen geneigt sind.“

1895

„Anläßlich der Straffälle wird festgestellt, daß sämtliche Fortbildungsschüler den Vereinen angehören und an allen Unterhaltungen derselben in den Wirtshäusern teilnehmen. Auf eindringliches Zureden hat die Ortsschulbehörde den Fortbildungsschülern die Teilnahme an den Turnvereinen verboten und es wird dieses Verbot auch beachtet.“

1906

„Der Ortsarrest ist in gutem Zustand und frisch gereinigt.“

Im Rathausneubau 1915 erhielt die Ortspolizei einen eigenen Raum mit Gemeindearrest (vom Haupteingang aus rechts hinten). 1935 gehörten zur Neulußheimer Ortspolizei ein Polizeihauptmeister und ein Feldpolizist (Feldhüter).

Nach dem 2. Weltkrieg wurde Neulußheim Polizeiposten des Polizeireviers Hockenheim. Bis 1972 war dieser Posten, wie auch in der Vergangenheit, im Rathaus untergebracht. Nach der Zusammenlegung der Polizeiposten Alt- und Neulußheim wurden am 5. Oktober 1973 die neuen Räumlichkeiten in der Max-Planck-Straße 6 bezogen. 2005 wurde auch Reilingen eingegliedert, und im Mai 2006 zog man in das neue Quartier, im ehemaligen Postgebäude in der Hockenheimer Straße 29, ein.

Feuerwehr

Das Feuerlöschwesen gehört zu den ältesten Bürgerpflichten. Die Einwohner mussten sich einst gefallen lassen, in Gruppen eingeteilt zu werden und einen Löscheimer zu führen. Wer bei der Bürgerannahme keinen Löscheimer vorweisen konnte, musste einen Gulden Strafe zahlen. Zur Brandbekämpfung stand bis 1927 keine Wasserleitung zur Verfügung, weshalb die Bauern in Jauchefässern  das aus Straßenbrunnen gepumpte Löschwasser heranfahren mussten.

Liste der Löschmannschaft (12. August 1897)

  1. Rettungsmannschaft (Steiger, Ausräumer -und Arbeitsmannschaft mit 28 Männern)
  2. Spritzenmannschaft und Wasserträger
  3. zur Spritze Nr.1 (Fahrspritze) waren 103 Männer zugeordnet
  4. zur Spritze Nr.2 (Handspritze) waren 23 Männer zugeordnet
  5. zur Spritze Nr.3 (Handspritze) waren 21 Männer zugeordnet

III. Wasserführer 18 Mann

  1. Feuerreiter 10 Mann
  2. Führer der Fahrspritze bei auswärtigen Brandfällen 2 Mann
  3. Wachmannschaften 10 Mann

Mit der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr am 25. Mai 1900 wurde das Feuerlöschwesen auf freiwillig-kameradschaftliche Basis übertragen und somit die zwanghafte Verpflichtung der Bürger aufgehoben.

Am 23. Februar 1900  erging ein Bericht des Gemeinderats an das großherzoglich-badische Bezirksamt in Schwetzingen über den Zustand der Feuerwehr von Neulußheim.

Im Jahr 1899 seien mit der Löschmannschaft unter Kommandant Rupp Übungen durchgeführt worden, um die Leute auf Ihren Dienst vorzubereiten. "Die Besitzer von Fuhrwerken und Fässern sind zum Wasserführen bestimmt worden und die Reihenfolge angeordnet. Einwohner mit Kesseleinrichtungen zur Zubereitung frischen Wassers im Winter sind bestimmt. Für Anspannung der Spritzen und Mannschaftswagen ist Vorsorge getroffen.

Feuermelder und ….. sind bestellt ".

8. November 1900

Die Feuerwehr erhält einen eigenen Spielmannszug

14. Dezember 1908

Plan zur Erstellung eines Spritzenhauses neben dem Rathaus

1925

Im Hinblick auf die Anlage einer Wasserleitung im Ort werden bereits neue Geräte angeschafft

1926/27

Bau der Wasserleitung mit 54 Hydranten. Das beschwerliche Beschaffen des Wassers mit Jauchefässern gehört der Vergangenheit an

1940

Anschaffung einer Motorspritze

Kriegsjahre

Einrichtung einer Brandwache im Rathaus. Ein Führer und neun Mann müssen bei jedem Fliegeralarm  sofort zur Stelle sein

1945

Einsatz beim Angriff auf das Bahnwärterhäuschen im Wald Richtung Waghäusel und  acht  Tage später in der Bahnhofstraße

1948

Bau des Feuerwehrgerätehauses auf der Rückseite des Rathauses

1961

Kommandant Georg Schmidt stellt nach 30 Dienstjahren sein Amt zur Verfügung. Nachfolger wird sein Sohn Theo Schmidt

1969

Unter der Leitung von Brandmeister Theo Schmidt und Oberlöschmeister Alfred Kuppinger wird eine Jugendfeuerwehr ins Leben gerufen

1975

Der Feuerwehr stehen ein Löschfahrzeug, eine Motorspritze, eine mechanische Leiter, zwei Hydrantenwagen, ein Mannschaftswagen und ein Trockenlöschwagen zur Verfügung. Neben den Hydranten sind vier Feuerlöschbrunnen, verteilt auf die Ortsteile,  zum Anzapfen vorhanden

1977

Erstes Löschfahrzeug mit Wassertank

1983-85 Bau des Hauses der Feuerwehr

Alle Wehrmänner sind mit Atemschutzmasken ausgerüstet, durchschnittliche Jahresdienstzeit beträgt 120 Stunden

Die Post

1489 wurden von Wien aus nach anderen europäischen Höfen Post- und Nachrichtendienste eingerichtet. Das Generalpostmeistergeschlecht von Thurn und Taxis baute den Reichspostdienst aus. Die älteste Postlinie zwischen Brüssel und Wien führte bei Rheinhausen über den Rhein.

Da die Reichspost nur auf den großen Durchgangsstraßen verkehrte, wurden von den Landesherrschaften Nebenlinien eingerichtet. Die Landpost in Baden und Württemberg gab es seit 1709. Oftmals waren bei Gasthäusern Poststellen eingerichtet.

In Neulußheim befand sich 1860 die Poststelle im Haus des Mathäus Kazmeier, der von 1860 bis 1891 das Amt des Postagenten innehatte. Am 8. Mai 1891 übernahmen sein Schwiegersohn Friedrich Hagmann und seine Tochter Maria die Post. Die Poststelle befand sich nun in der St. Leoner Straße 40.

1951 wurde das Postamt in die St. Leoner Straße 45 (neben dem Gasthaus „Zur Sonne“) verlegt. Maria Kern, geb. Hagmann, unterhielt hier bis 1962 ein „Zweigpostamt“.

1965 wurde das Postamt in der Hockenheimer Straße 24 eröffnet, wo es bis 2002 verblieb.

Heute übernimmt die Aufgaben der Post eine Agentur in der Hockenheimer Straße 12.

Anwesen Hagmann, Sankt Leoner Straße 40. früher Postamt

Der Friedhof

Julius Schickard hatte bei der Anlage der Siedlung einen Platz für den Kirchhof inmitten des Dorfes vorgesehen. An dieser Stelle stehen heute die 1908/09 erbaute Evangelische Kirche und das 1914 errichtete Rathaus.

Die Nähe des Friedhofes zu den Wohnhäusern hielt Pfarrer Trautwein 1892 für unbedenklich. Ein größeres Problem sah er in der niedrigen und ungenügenden Einfriedung, so dass „Hühner und anderes Getier eindringen kann und die angelegten Gräber ruiniert. Deshalb wird deren Pflege vernachlässigt und der Boden ist mit Gestrüpp überwuchert."

1895 drängt das Bezirksamt aus hygienischen Gründen auf eine Verlegung des Friedhofes.

Der Kirchhof liegt mitten im Ort und unmittelbar an Wohngebäuden und wird trotzdem bis heute noch benützt. Er ist bis aufs Äußerste belegt und es kann jedenfalls ein Umgraben polizeilich nicht mehr gestattet werden Der Gemeinderat sieht dies auch ein . . . . . und es soll nun auf Allmendäckern weit über 100 m vom Ort entfernt, sofort ein neuer Friedhof angelegt werden Der Gemeinderat will der Kostenersparnis halber den neuen Friedhof mit einem lebenden Hag umgeben. Der Bürgerausschuß aber soll eine Mauer verlangen. Die Weiterbenutzung des alten Friedhofes wurde mit allem Nachdruck untersagt.“

Gemeindearbeiter bei der Brunnenaufstellung auf dem Friedhof

1896

Der neue und jetzt noch bestehende Friedhof wurde eingeweiht

1899

Der Totengräber musste sich auch um die Instandhaltung des Friedhofes kümmern. Er bekam jedoch dafür nur drei Mark jährlich und den Klee, der dort wuchs. Die neu gepflanzten Rottännchen, die nun doch als „lebender Zaun" gepflanzt wurden, waren daher sehr vernachlässigt.

1924 (Ortsbereisung, Auszug)

„Das Register des Leichenschauers ist in Ordnung. Die Sterblichkeit der Gemeinde Neulußheim ist trotz des Steigens der Bevölkerungsziffer im Rückgehen begriffen. Gegen 36-40 Todesfälle in den früheren Jahren betrug die Zahl der Todesfälle im Jahr 1923 nur 26. Dieser Umstand ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß die Heizungs-, Licht- und Lüftungsvorrichtungen in den Fabriken verbessert und die Heimarbeit nahezu beseitigt wurde. Besonders in der Säuglingssterblichkeit ist dadurch ein Rückgang eingetreten, daß die Frauen infolge biologischer und sozialpolitischer Aufklärung sich nach der Niederkunft eine längere Erholungszeit gönnen.“

Nach der Erbauung der Leichenhalle und Friedhofskapelle 1949/50 wurde der Verstorbene nicht mehr zu Hause aufgebahrt. Da die Gemeinde in den Folgejahren sehr stark anwuchs, wurde diese Kapelle bald zu klein, weshalb 1977/78 eine neue große Aussegnungshalle gebaut werden musste.

 


 

Ortsentwicklung 3


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Das Straßennetz

1714 verlegte Julius Schickard den Verlauf der großen Landstraße Heidelberg-Philippsburg-Durlach (in der Neuzeit Bundesstraße 36) in die Ortsmitte nach Neulußheim. So entstand die markante Kreuzung mit der alten Handelsstraße Nürnberg-Metz, die von Speyer, über Alt- und Neulußheim nach Walldorf, Sinsheim und Bad Wimpfen führte (spätere Bundesstraße 39).

Durch diese verkehrsgünstige Lage hatte Neulußheim von Anfang an einen regen Durchreiseverkehr. So bestanden 1725 bereits sechs Gaststätten in Neulußheim: Zum Bären, Zum Adler, Zur Krone, Zum Löwen, Zur Sonne, Zum Ochsen.

Dass die verkehrsgünstige Lage durch die Motorisierung im 20. Jahrhundert mit der Belästigung der Einwohner durch Abgase und Lärm einmal zu einer Einschränkung der Lebensqualität führen könnte, hätte der Ortsgründer Julius Schickard sicherlich nie für möglich gehalten. Durch eine Ortsumgehung, die gleichzeitig mit den Planungen für die Schnellbahnstrecke Mannheim-Stuttgart in Angriff genommen wurde, konnte das Problem dauerhaft gelöst werden. Der Bau der beiden neuen Umgehungsstraßen – Bundesstraße 36 und 39 – war 1987 abgeschlossen.

Blick von der Kreuzung in die Altlußheimer Straße

Der Straßenzustand

Die Straße nach Karlsruhe war um 1806 noch nicht angelegt. Um 1850 waren die Chausseen nach Reilingen und Altlußheim noch schwer passierbare Sandwege. Auch die sogenannte Kaiserstraße nach Speyer wurde erst um 1850 ausgebaut.

1871 berichtet eine Ortsbereisung:

„In der Straße nach Speyer befindet sich im Ort eine tiefe Schlagrinne, durch welche vielfach Wagen beschädigt werden. Es wird hier die Anlegung eines Dohles notwendig, um das Wasser abzuführen.“

1877 gibt es keine Beanstandungen mehr. Anscheinend waren die Ansprüche noch nicht so hoch, denn 1895 lautet der Bericht des Bezirksamtes:

„Neulußheim hat schöne breite Gehwege. Dieselben sind weder geplättet noch gepflastert. Auch sind noch wenige Straßenrinnen angelegt. Es scheint an nötigem Gefäll zu fehlen. . . . Auf den Gehwegen stehen überall Wasserpfützen und die Kanten der Ortstraßen liegen voller Schmutz.“

Man verlangte vom Bürgermeister und dem Polizeidiener für eine gründlichere Reinigung zu sorgen und die Gehwege mit Kiessand aufzufüllen.

Die Kriegbachbrücke (Quelle unbekannt)

Schon 1670 war der Kriegbach im Verlauf der Rheinstraße (alte Bundesstraße 36) mit einer steinernen Brücke versehen worden. Als diese im Februar 1809 durch eine Überschwemmung weggerissen wurde, da laut Bericht der Gemeinde Altlußheim die Franzosen im letzten Krieg (?) die Fundamente beschädigt hatten, wurde vom großherzoglich-badischen Baumeister Frommel 1810 sofort ein neuer Plan angefertigt. 1945 wurde die Brücke von der deutschen Wehrmacht gesprengt.

Der Neulußheimer Bahnhof

Bis 1870 war die drei Stunden entfernte Eisenbahnstation Wiesloch an der Bahnstrecke Heidelberg-Karlsruhe der nächste Bahnhof. Seit 1860 gab es einmal täglich eine „Omnibusverbindung“ mit dem Pferdewagen von Speyer über Hockenheim und Reilingen nach Wiesloch.

Die Einweihung des Bahnhofs am 4. August 1870 und damit der Anschluss des Ortes an die Rheintalbahn war eine der wichtigsten oder bedeutsamsten Änderungen der Neulußheimer Ortsgeschichte.

Die neuen Verkehrsmöglichkeiten eröffneten den Bewohnern Arbeitsplätze in den bisher zu weit entfernten Fabriken in Mannheim, Rheinau und Ludwigshafen. Gleichzeitig begünstigte der Güterbahnhof die Entstehung der Zigarrenfabriken, die im Ort selbst Arbeitsplätze zur Verfügung stellten, Durch den wachsenden Wohlstand entwickelte sich der Ort innerhalb einer Generation vom Dorf zu einer kleinstädtischen Wohnsiedlung.

Postkarte  oder Bauplan alter  Bahnhof

In den 1960er Jahren diskutierte man im Gemeinderat über die Beseitigung des schienengleichen Bahnübergangs, der zu langen Wartezeiten und langen Autokolonnen bis über die Kreuzung in der Ortsmitte führte. Die 1970 vereinbarte Unterführung wurde durch die Neuanlage der Rheintalbahnlinie beim Bau der Schnellbahnstrecke Mannheim-Stuttgart hinfällig. Der Verkehrsverband mit Schnellbahn, Rheintalbahn und neuer Bundesstraße 36 verläuft nun seit dem 1. September 1986 eingesenkt 100 m östlich der alten Bahngleise.

Die Einweihung des neuen Bahnhofs erfolgte am 14. September 1986, verbunden mit einem Dorffest, das gleichzeitig an die vor 275 Jahren erfolgte Gründung Neulußheims  1711 erinnern sollte.

Die Stromversorgung

Die Versorgung der Gemeinde mit elektrischem Strom in den Jahren 1911-13 durch das in Mannheim-Rheinau gelegene Kraftwerk der Oberrheinischen Elektrizitätswerke (OEG)  brachte eine merkliche Verbesserung der Wohn- und Arbeitsverhältnisse, besonders in den Zigarrenfabriken, in denen bis 18.30 Uhr gearbeitet werden musste. Weil der damalige Bürgermeister Jakob Rupp Gegner des Projektes war, demonstrierten am 10. August 1911 über 300 Bürger vor dem alten Rathaus für den Stromanschluss. 750 Fabrikarbeiter unterschrieben eine Petition an die Fabrikinspektion.

Die Wasserversorgung

Zur Zeit der Gründung Neulußheims im 18. Jahrhundert war der Ziehbrunnen vorherrschend. Mit Holz- oder Ledereimern wurde das Wasser aus den mit Bohlen oder Bruchsteinen ausgekleideten Brunnenschächten gehoben. Um 1800 kamen die ersten gusseisernen Pumpbrunnen auf, die durch die Ständeraufrichtung mit Pumphebel das Straßenbild kennzeichneten (zu diesem Zeitpunkt standen in den Hauptstraßen noch keine Alleebäume). Wann diese Form in Neulußheim eingeführt wurde, ist fraglich. Aus den Akten wird ersichtlich, dass die Pumpenstöcke noch Ende des 19. Jahrhunderts aus Holz waren.

Die Gemeindebrunnen

„An dar Straße noch Altlußheim steht links ein Gemeindebrunnen. Der hölzerne Pumpenstock ist ganz verfault, auch ist der Brunnen sehr schlecht verwahrt. Der Brunnen Ist ganz in das Fundament des Hauses hineinverbaut . . . , wenn der Brunnen doch besser hergestellt werden muß, sollte derselbe auch gleich weiter in den Gehweg gestellt werden. Auch sollte der Pumpenstock dann von Eisen erstellt werden.“ Im November 1895 wurde der Brunnen, der sich beim Haus des Feldhüters Langlotz befand, jedoch beseitigt, da „in der Nähe mehrere Privatbrunnen sich befänden.

Die Anwohner fordern daraufhin beim Bezirksamt, dass „der Brunnen, den sie seit Menschengedenken benutzten und der vorzügliches Trinkwasser geliefert hat, wiederaufgebaut wird. Denn dieser Brunnen ist ein gegrabener Brunnen, welcher durch einen Eisernen niemals ersetzt werden kann, zumal in Stunden der Feuergefahr die meisten Einwohner oft auswärts und ihre Häuser verschlossen sind . . .  Im ganzen sind noch 6 Gemeindebrunnen im Orte, an welchen wir bisher unsere Lasten trugen, sollten wir nun nicht gleiche Rechte haben, und uns das nothwendigste Bedürfnlß des Lebens entzogen werden.“

1848 erhielt Heinrich Mutschler den Zuschlag für die Umpflasterung der vier Gemeindebrunnen.

1889 waren beim Haus Nr. 2 und 4, Nr. 11 und 12, Nr. 186 und Nr. 193, insgesamt also sechs Gemeindebrunnen vorhanden (Die Häuser waren nicht nach Straßen, sondern nach fortlaufender Nummer gekennzeichnet).

Alte Brunnenform mir hölzernem Pumpenstock

Daneben hatten viele Einwohner eigene Brunnen auf dem Grundstück. Durch die Nähe von Dunggruben (= Jauchegrube und Misthaufen in einem) wurde das Wasser jedoch oftmals verseucht.

Die Wasserleitung

Brunnen und Kloaken, oftmals noch in unmittelbarer Nähe, waren die Ursache für Krankheiten wie Blattern und Typhus. 1908 kam es zu Verhandlungen wegen eines Wasserversorgungsverbandes, die jedoch scheiterten. An der verlängerten Kornstraße wurde erst 1927/28 das Neulußheimer Wasserwerk errichtet und das ganze Dorf an das Wassernetz angeschlossen. Auf der Höhe der heutigen Lußhardtschule wurde ein Tiefbrunnen gebohrt, aus dem vier, durch Elektromotoren angetriebene Kreiselpumpen das Frischwasser über ein 9455,35 m langes Rohrsystem direkt zu den Hausanschlüssen pumpten.

Pumpwerk, bis 1968 in Betrieb

Die Verbesserung der hygienischen Situation durch die neue Wasserversorgung äußerte sich in der Ortsbereisung von 1929: „Die gesundheitlichen Verhältnisse sind gut. An ernstlichen Krankheiten sind in letzter Zeit nur Diphtherie (in 30 Fällen mit 3 Toten) aufgetreten. Scharlach kam nur in einem Fall vor. Sonstige Epidemien gibt es nicht. Wesentlich zur Förderung des allgemeinen Gesundheitszustandes hat die Errichtung des Wasserversorgungswerkes beigetragen. Die Gemeinde sieht in der noch fehlenden Kanalisationsanlage einen Mißstand, der auf die altgemeine Gesundheit nicht ohne Folgen bleiben kann.“

Seit 1968 wird Neulußheim aus dem Reilinger Wasserwerk über den Zweckverband „Wasserversorgung Südkreis Mannheim" mit Trinkwasser versorgt.

Die Kanalisation

Die Abwässer aus Haushalt und Abort wurden in die hauseigene Dunggrube, die Regenabwässer über die Straßenrinne an die Ortsränder in Senkgruben geleitet. Oft wurden „aber nicht nur Regen-, sondern auch Schmutzwasser und oft allerhand Unrat (tote Katzen usw.) hineingeworfen. Bei starkem Regen werde zudem die ganze Senkgrube unter Wasser gestellt, was Eindringen des Wassers in die Keller der genannten Eigentümer und starke Schimmelbildungen an den Wänden zur Folge habe."

Das Areal im Umfeld der Häuser hatte oft das Aussehen von Kloaken, deren Zentrum mitunter der uneingefasste Misthaufen oder die Jauchegrube war.

Zahlreiche Bestimmungen zur Reinhaltung der Straßen waren oftmals vergebens, so 1914: „Menschliche und tierische Ausgangstoffe, sonstige übelriechende Stoffe, Unrat aller Art, insbesondere auch Hausabfälle dürfen nicht auf die Ortsstraßen, öffentliche Plätze, sonstige öffentliche Wege oder die Straßenrinnen geworfen oder gegossen worden. Das Laufenlassen von Gänsen, Enten und Hühnern auf den Ortsstraßen an Sonn- und Feiertagen und von Gänsen überdies an Wochentagen ist verboten.“

Die Erstellung der Kanalisation 1930/31 schaffte dem Übel nur teilweise Abhilfe, da es bis nach dem 2. Weltkrieg nur vereinzelt Anwesen gab, die eine Toilette mit Wasserspülung besaßen.

Die Kanalisation war bis Ende der 1950er Jahre im alten Ortsgebiet abgeschlossen. Gleichzeitig mussten zu dieser Zeit auch Hauskläranlagen (Zwei-Kammer-System) gebaut werden, da die Verschmutzung der Abwässer stark zugenommen hatte. In den 1960er Jahren schloss sich die Gemeinde mit Altlußheim zusammen, um den Abwasserzweckverband „Lußheim“ zu bilden. Die gemeinsam betriebene Kläranlage war von 1967 bis 1984 in Betrieb und wurde dann durch die neue große Anlage des Abwasserzweckverbands „Bruchniederung“ auf Rheinhäuser Gemarkung ersetzt.

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung wurde im 18. Jahrhundert durch den Bader oder Chirurgen, der oftmals auch als Barbier tätig war, ausgeübt.

Laut Kirchenbücher waren im 18. Jahrhundert folgende Chirurgen oder Bader in Neulußheim ansässig:

1716 - 1722                    Wolfgang Conrad Scholl

1718 - 1739                    Johann Wolfgang Barth

1722 - 1725                    Christoph Leibold

1729 - 1735                    Georg Adam Hacker

1740 - 1780                    Christoph Wendel Dietle

1859 ließ sich in Hockenheim Dr. E. Erckenbrecht als Praktischer Arzt nieder. Von dort versorgte er auch Reilingen, Neulußheim und Altlußheim. Für die Kosten der medizinischen Behandlung mussten die Bürger selbst aufkommen.

Mittellose erhielten von der Gemeinde Unterstützung, wie aus den Gemeinderechnungen zu ersehen ist. Armenpflege, Krankenbehandlung, Fahrt zum Chirurgen Schneider in Altlußheim, Leichenschauen usw. wurden im Jahr 1848 mit 95 Gulden 2 Kreuzer aus der Gemeindekasse bestritten.

Durch die Sozialreformen des Reichskanzlers Otto von Bismarck wurde die Kinderarbeit verboten und eine gesetzliche Unfall-, Renten- und Krankenversicherung eingeführt. Die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung 1883 sicherte dem Arbeitnehmer freie ärztliche Behandlung und Krankengeld bei Arbeitsausfall zu.

1926 lässt sich der erste Arzt im Ort nieder

1933 eröffnet Jakob Krieger die erste zahnärztliche Praxis

1930 gründet Pharmazierat Neuer die Lußhardt-Apotheke

Die Hebamme

Man kann davon ausgehen, dass die Neulußheimer Frauen bereits seit der Ortsgründung von einer Hebamme betreut wurden. Seit etwa 1830 verfügte Neulußheim über eine eigene Hebamme. Die Kindersterblichkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert betrug in Neulußheim über 60 % und auch die Sterberate der Frauen unter 30 Jahre war im Vergleich mit anderen Gemeinden außergewöhnlich hoch. Und dennoch ist den Kirchenbüchern zu entnehmen:

„So groß aber auch die Lücken sind, die der Tod reißt, so groß und auch erheblich größer ist die Zahl der Geburten, darunter leider auch die unehelichen. Deshalb ist jetzt auch noch immer eine stete Zunahme der Bevölkerung zu bezeichnen.“

Die Versorgung der Mütter und Neugeborenen durch die Hebammen (laut Kirchenbücher auch als „geschworene Frauen“ bezeichnet) wurde zu jener Zeit von der Gemeinde bezahlt, zumal sich die meisten Familien kaum eine medizinische Betreuung leisten konnten.

1750 - 1762                    Anna Maria Zaaß

1790 - 1817                    Ludovica Margaretha Christina von Berg

1806 - 1835                    Christine Cordula geb. Rauch

1878 - 1918                    Katharina Rausch

         -                           Barbara Kuppinger

1920 - 1957                    Maria Joswig

1921 - 1957                    Frieda Willhauer

1958 - 1978                    Agnes Urbanek

Hebamme Frieda Willhauer

1895 beschwerten sich die beiden Hebammen, dass sie von der Gemeinde für die Behandlung der Wöchnerinnen nichts erhielten. Auf Gemeindekosten gingen jedoch die Notarzneien und die „nötigen Gerätschaften".

Die Gemeinde verpflichtete am 6. September1901 die beiden hiesigen Hebammen Katharina Rausch und Barbara Kuppinger gegen einen Jahreslohn von 10 Mark. Wenn die Hebammen jedoch einem Ruf nicht nachkamen, konnte vom Gemeinderat eine Konventionalstrafe in Höhe des Jahresverdienstes erhoben werden.

 


 

Herkunft der Neulußheimer


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Seit der Gründung Neulußheims im Jahre 1711 war ein steter Zuzug von Siedlern und Neubürgern zu verzeichnen. Die meisten von ihnen hatten einen handwerklichen Beruf, waren Bauern oder Gastwirte. Nur wenige waren Taglöhner. Ein Teil dieser Siedler blieb über mehrere Generationen hier wohnen, einige zogen aber nach wenigen Jahren bereits weiter. Von den ersten Siedlern leben heute noch Nachfahren mit den Familiennamen Ballreich, Bühler, Haffner, Krauß, Kuppinger, Rausch, Stief oder Thorn in der Gemeinde.

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